Aus der Phantastik-Anthologie „Pandaimonion“ (Wurdack Verlag, 2002)
ISSN 1618-9647
In der Kurzgeschichte „Auf gute Nachbarschaft“, die in der Phantastik-Anthologie „Pandaimonion“ erschienen ist, stellt sich die Frage, ob die Einwohner eines kleinen Städtchens nur ein harmloses Barbecue feiern, oder nicht doch etwa eine düstere Hexenmesse? Mutter und Sohn sind da durchaus unterschiedlicher Ansicht…
[…]
„Pappalapap, das ist Blut. Vielleicht sogar das von Menschen. Ich habe heute Morgen gehört, dass in New York schon wieder zwei junge Mädchen verschwunden sind.“
„Ist New York nicht etwas weit weg, Mutter?“
„Als Nächstes willst du mir wohl noch erzählen, dass sie mit den Unwettern letzte Woche nichts zu tun hatten. Schon komisch das der halbe Staat verwüstet wird und ausgerechnet dieses unbedeutende Kuhkaff verschont bleibt.“
Robert räusperte sich: „Selbst, wenn sie heidnische Rituale durchführten, Mutter, in diesem Land herrscht Religionsfreiheit, du kannst da gar nichts ausrichten, solange du nicht beweisen kannst, dass sie anderen Menschen schaden.“
„Doch ich kann“, widersprach sie empört. „Ich werde die gerissensten und gnadenlosesten Bluthunde auf sie ansetzen, die diese unsere Welt zu bieten hat.“
Sophias Sohn schluckte: „Inquisitoren?“
„Nein, Anwälte“
Zwei Tage gingen ins Land bis es an Melissas und Johns Tür klopfte. John blickte aus dem Fenster und schaute auf zwei graue Gesellen, die durch ihre extreme Unauffälligkeit nicht zu übersehen waren.
„FBI?“, fragte seine Frau und er drehte sich um und flüsterte: „Winkeladvokaten!
“Melissa öffnete mit aller Freundlichkeit die Tür.
„Mam, Peterson & Hofman von Peterson, Hofman, Kratinsky & Söhne, wir sind beauftragt ihnen mitzuteilen, dass Mrs. McMulligan eine Klage gegen die Stadt und sie im besonderen anstrebt.“
Ihre Augenbrauen zuckten und ihre Stimme schien verwundert: „Eine Klage, was für eine Klage?“
„Nun“, begann einer der Männer so zögerlich, dass Liss und ihr Mann den Eindruck hatten, dass der Anwalt diese Sache entweder sehr oder überhaupt gar nicht ernst nahm, „Diskriminierung von Minderheiten. Genauer gesagt fühlt sie sich durch die Anrufung Satans, Belzebub und anderer namhafter Dämonen in ihrer Nachbarschaft in ihrem christlichen Glauben verletzt und fordert Unterlassung.“
John schaute zu Melissa, Melissa schaute zu John und beide waren sich im Klaren darüber, dass sie damit durchaus durchkommen konnte, ganz gleich wie haltbar die Anschuldigungen waren. Der Erfolg hing ganz davon ab wie viel sie den beiden juristischen Faktoten als Trinkgeld zuschob. Melissa bat die Männer hinein um die Dinge bei Kaffee und Kuchen etwas genauer zu besprechen. Es sollte eine ganze Woche vergehen, ehe die beiden Anwälte völlig verwirrt, schmutzig und bar jeder Erinnerung an die letzten 10 Tage, sechzig Meilen entfernt in der Nähe ihrer Kanzlei aufgefunden und anschließend von Mr. Kratinsky in den längst fälligen Urlaub geschickt wurden.
Noch am Abend des Tages, da John und Melissa den unangenehmen Besuch hatten, trafen sie sich mit der restlichen Nachtbarschaftshilfe. Robert McMulligan versuchte seiner Mutter klar zu machen, dass sie wohl eine Tupperparty feierten, doch die Rentnerin ließ sich nicht von dem Gedanken abbringen, dass sie nun versuchen würden, sie ins Grab zu bringen.
„Alles was ich noch besitze geht ans Tierheim von Springinsfeld, wo meine Schwester wohnt. Denn du versuchst ja nicht einmal, mein Leben zu retten.“
„Mutter, dein Leben ist nicht in Gefahr, soll ich dir wieder etwas von dem Weihwasser holen, damit du dich sicherer fühlst?“
Sophia wedelte mit einem bekrickelten Blatt Papier: „So, nun reichst, mit dieser Unterschrift enterbe ich dich. Meinst du, ich hätte nicht gemerkt dass du es aus der Leitung holst. Die alten Rohre dröhnen jedes Mal, wenn du behauptest mal eben zur Dorfkirche im Nachbarort zufahren. Ich werde bald sterben, ob die mich verfluchen oder nicht, aber nicht mal das ringt dir ein wenig Respekt ab.“
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